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Von der Krise zur Chance: Wie Nearshoring und Dekarbonisierung den Westbalkan für EU-Unternehmen attraktiv machen

© KVP

Als die COVID-19-Pandemie im Jahr 2020 globale Lieferketten destabilisierte und der Begriff „Nearshoring“ in aller Munde war, fragte sich das Kammer- und Verbandspartnerschaftsprojekt Westbalkan (KVP WB6), ob die Westbalkanregion, die direkt vor der „Haustür“ der EU liegt, das Potenzial haben könnte, ein ebensolches Nearshoring-Ziel für europäische Unternehmen zu werden. Mithilfe des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw), führte das Projekt dazu eine regionale Wirtschaftsstudie durch und die damaligen Ergebnisse waren vielversprechend: Die Nähe zur EU und starke Verbindungen zum deutschen Markt positionierten den Westbalkan als potentiell wichtigen Standort für Nearshoring. 

Letzte Woche, etwas mehr als drei Jahre nach Veröffentlichung der Ergebnisse, hat das Projekt nun die Folgestudie „Transforming the Western Balkans through Near-shoring und Decarbonisation“ vorgestellt, erneut in Zusammenarbeit zwischen dem Western Balkans Six Chamber Investment Forum (WB6 CIF), den sechs nationalen Kammern im Westbalkan und dem wiiw. Wir untersuchten, ob Nearshoring tatsächlich stattgefunden hat und wie der derzeitige Megatrend der Dekarbonisierung die Attraktivität der Region noch weiter steigern kann. Was haben wir herausgefunden?

Nearshoring in den Westbalkanländern – Ja oder Nein?

  • Bosnien und Herzegowina, Kosovo und Nordmazedonien verzeichneten stärkere Nearshoring-Trends, da die ausländischen Direktinvestitionen (FDI) nach der Pandemie die Erwartungen übertrafen.
  • Albanien und Serbien verzeichneten niedrigere als erwartete FDI und profitierten weniger vom Nearshoring.
  • Montenegro zeigte gemischte Ergebnisse, mit anfänglichen Gewinnen, aber einem Rückgang im Jahr 2023.

 Steigende Zufriedenheit: 72 % der ausländischen Unternehmen sind mit ihrer Investitionserfahrung in der WB6-Region zufrieden - ein Anstieg um 10 % seit unserer letzten Studie.

Hauptgründe für deutsche Unternehmen, im Westbalkan zu investieren, bleiben wie schon während der ersten Studie im Jahr 2021 die Verfügbarkeit qualifizierter Arbeitskräfte, niedrigere Lohnkosten sowie die geographische Nähe zu Deutschland. Neu hinzugekommen sind in der aktuellen Studie Gründe, wie Risikominimierung aufgrund der Covid-19-Pandemie und der aktuellen geopolitischen Weltlage, niedrige Energiepreise sowie die Verfügbarkeit erneuerbarer Energien. Dies deutet an, dass der Westbalkan seine Attraktivität für europäische Investoren in der Tat weiter steigern konnte.

Dekarbonisierung als Game-Changer:

  • Zwei Drittel der ausländischen Unternehmen finden die Region attraktiv für grüne Investitionen und suchen nach kohlenstoffarmen Lieferanten, um die durch den EU-Green-Deal- und den Carbon Border Adjustment Mechanism (CBAM) Standards zu erfüllen.
  • Internationale Investoren begegnen der Dekarbonisierung ihrer Lieferketten mit der Umstrukturierung eben dieser und suchen vermehrt nach Zulieferern mit einem geringen CO2-Fußabdruck
  • Lokale Unternehmen zeigen sich bereit zu dekarbonisieren, um Teil internationaler Lieferketten zu bleiben und planen, dafür in neue Technologien zu investieren, stehen jedoch teils vor der Herausforderung mangelnder Ressourcen.

Herausforderungen:

  • Unternehmen empfinden den CBAM aufgrund seines umfassenden Berichtswesens und mangelnder nationaler Unterstützung als komplex. Als Antwort darauf, haben die regionale Kammern im Rahmen des KVP-Projektes einen regionalen CBAM-Guide entwickelt, um betroffene Unternehmen im Westbalkan über CBAM aufzuklären und sie bei dessen Umsetzung zu unterstützen.
  • Unzureichende Infrastruktur beim Ausbau von sowie administrative Hürden bei der Umstellung auf erneuerbare Energien
  • Obwohl lokale Lieferanten bereit sind, ihre Produktion zu dekarbonisieren, verfügen sie oft nicht über dafür notwendige moderne Technologien.
  • Lokale Unternehmen nehmen den öffentlichen Sektor in der Region bei der Adressierung dieser Hürden als nicht responsiv genug wahr und wünschen sich mehr konkrete Anleitung bei der Erfüllung der Dekarbonisierungsanforderungen.

Schlussfolgerungen: 

Trotz aller Hürden sahen die Podiumsteilnehmer den CBAM als Chance und plädierten sogar dafür, die mit dem CBAM einhergehenden Anforderungen in nationales Recht zu integrieren, um nicht nur den Export zu steigern, sondern so auch die Verfügbarkeit kohlenstoffneutraler Produkte in der Westbalkanregion selbst zu erhöhen. Dekarbonisierung ist für die Unternehmen kein Zukunftsziel mehr, sondern eine dringende Notwendigkeit.

In diesem Sinne hat das WB6 CIF Handlungsempfehlungen an Investoren, lokale Zulieferer und politische Entscheidungsträger ausgesprochen: https://shorturl.at/rkXoE

Die vollständige Studie finden Sie hier: https://shorturl.at/WnsHl

© Kammern- und Verbandspartnerschaften Westbalkan

Kontakt

Alice Rollet Projektkoordinatorin

Kammer- und Verbandspartnerschaft Westbalkan

Die Unterstützung von Staaten beim Aufbau leistungsfähiger Kammerstrukturen hat für uns lange Tradition. Wir wollen die organisatorischen Kapazitäten und die regionale Netzwerkarbeit der Handelskammern im Westlichen Balkan stärken, um bessere wirtschaftliche Rahmenbedingungen vor Ort zu schaffen. Dazu organisieren wir beispielsweise Arbeitsgruppen und Konferenzen, um gemeinsam Konzepte zu erschaffen, die unter anderem nichttarifäre Handelshemmnisse reduzieren sollen. Darüber hinaus entwickeln wir mit den Partnerkammern gemeinsame Auftritte auf Messen und Online-Plattformen